Cave - Computermusic
€6.00 - €12.00

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Cave - Computermusic
€6.00 - €12.00

ccr 304

Günther Rabl, Daniel Lercher, Vinzenz Schwab, Richard Bruzek - CAVE - computermusic

Unter diesem Titel sind vier sehr unterschiedliche Stücke zusammengefasst. Vom Duktus und von der Machart her: eine „Erzählung”, „ein Gemälde”, eine Collage und eine Reihe von Metamorphosen. Gemeinsam ist ihnen die Entstehung aus einer Experimentiersituation mit ungewöhnlicher Lautsprecheraufstellung für die Bewegung von Klang im Raum. CAVE nenne ich eines der Programme, die ich dafür entwickelt hatte. CAVE bezieht den realen Raum, in dem sich die Zuhörer befinden (die „Höhle” – ganz nach Plato) in die Gesamtwirkung mit ein. Von diesem Ausgangspunkt aus entwickeln sich die vier Arbeiten in unterschiedlichste Richtungen.
Günther Rabl special edition

cover: trace of sound movement (G.Rabl),
art work by Sophie Thun
supported by: SKE-Fond, Land Steiermark

Daniel Lercher
EKSEM (norwegisch, „Ekzem”)
Computermusik, 7-kanal, 11 min, Stereofassung 2011/12
Als Klangmaterial dienten zum Grossteil Aufnahmen meiner Bassklarinette vom Sommer 2011 im Alten Sägewerk in Rapottenstein. Ich spielte dafür einige kurze Motive ein, die ich später am Computer transformierte. Im zweiten Teil des Stückes kommen auch Aufnahmen von Regentropfen, die auf ein metallisches Fensterbrett prasseln, dazu. Dabei wird die rhythmische Struktur des Regens auf das physikalische Modell eines schwingenden Stabes übertragen. Der Abschnitt endet mit einer Aufnahme von kochendem Griessbrei.
Im letzten Teil des Stückes verwende ich einen kurzen Ausschnitt eines Vortrags des englischen Philosophen und Schriftstellers Alan Watts, in dem er inhärente Prozesse des menschlichen Organismus mit Musik vergleicht. Die Sprache wird dabei mit dem Frequenzspektrum der Klarinettenaufnahmen fusioniert.

Vinzenz Schwab
DINGS #2
„Der Ton ist ein dickes Waldtier”
Computermusik, 6-kanal, 14 min, Stereofassung 2011/12
Ein 6-stimmiges Stück, das mittels der Routine CAVE auf 6 Lautsprecher im Raum verteilt wurde. Es ist das zweite in einer Reihe von Mehrkanalkompositionen namens „Dings”.
Die Klänge und Geräusche habe ich im Winter 2011/12 in der Bourgogne und im Waldvieltel aufgenommen. Vordergründig bildet die Komposition den
Abschluß einer Phase des Suchens und Sammelns – wie ein wildes Schwein.
Hintergründig sind die „langgestreckten lautlichen Bedeutungshügel ein ver-nünftiges Anpassen an eine doch mehr als weniger ausgesuchte Alleinigkeit”.
Verwendete Klänge : Ameisen, Arbeitsgeräusche, Baßzither, Cello, Donner, Donnerbleche, Eulen, Feedbacks, Feuer, Fleisch (als Lockmittel), Habicht, Harmonium, Hund, knarrende Bäume im Winter, Ketten, Kerosin, Kontrabaß, Knochenflöte, Mäuse, Nachtigall, Piano, Specht, Wasserdampf ...
Verwendete Hallräume: Höhle, Steinbruch, Schlucht, Waldlichtung, Waldmitte ...

Richard Bruzek
EUCLIPSE
Computermusik, stereo, 9 min, Wien 2011/13
Basismaterialien für mein Stück
Serieller Prolog: Im Verborgenen, als Schatten projizierte Orgel eines Gotteshauses in Wien Alszeile. Duett: Orgel die ich selbst spiele und „verschränkter” Gesang (Martina Cizek); „Lange Leidenslinie” (Gesang Simina Badea,
aufgenommen in der Brunnenpassage, Kunst- und Sozialraum der Begegnung in Wien); „bells under run” von Myr-records.
Metall: Geschichtlicher Schlag, eine Studie, short rhythm sequence von
„The Yppis”, aufgenommen am Friedrichshof.
Wiener Melange-records in den Franz-Schrekerstudios: Der arbeitende Komponist – befor, after, during taking a record.
Verwendete Instrumente: verschiedene Klaviere, Posaune, Kontrabass,
Percussion, Zieharmonika, Moog, Scheren, Laute, u.a.
Montage, Demontage, Transformation, Collage.
Computeroperierende Programme: AMP, PD, MSP, VASP

Günther Rabl
EINES TOTEN MORGENS
Variationen über einen Text und ein Gitarrensolo von Werner Schwab
Computermusik, 7-kanal, 25 min, Stereofassung 2011/12
Stimme und E-Gitarre: Werner Schwab (Originalaufnahmen aus dem Nachlass,
mit freundlicher Genehmigung von Vinzenz Schwab und Ingeborg Orthofer)
Im Winter 2010/11 gab mir Vinzenz Schwab den von ihm digitalisierten Nachlass seines Vaters, des Dramatikers Werner Schwab (1958 – 94) zum Anhören. Besonders zwei Aufnahmen haben meine Aufmerksamkeit erregt: ein Text, den der Autor Anfang der Neunzigerjahre selber auf Cassette gesprochen hat, mit dem Titel „Der Bauch”, und ein Gitarrensolo aus den späten Siebzigerjahren, ebenfalls auf Cassette. Beide Aufnahmen sind fast auf die Sekunde genau gleich lang. Der Text ist eine Art Epitaph, oder vielleicht eher eine Standpauke an jemanden, der eines unsinnigen Todes stirbt, nachdem er im Heisshunger eine ganze Stange „Zwiebelleberstreichwurst” verschlungen hat. Eine fulminante Tirade über das Verhältnis des Bauches zum „wütend verdauenden Kopf”, von Werner Schwab selber ruhig und kunstlos gelesen und auf Cassette aufgenommen. Das Gitarrensolo dagegen ist ein Bündel an Intensität, alles andere als virtuos, wüst und verzerrt. Der Kontrast dieser beiden, in jeder Hinsicht so unterschiedlichen Ausgangsmaterialien schafft vom ersten Moment an eine Eigendynamik der musikalischen Auseinandersetzung.

1. Teil: Exposition 6 min
Im ersten Teil steht die nahezu unbearbeitete Aufnahme der Stimme im Mittelpunkt. Umkreist wird sie von mehreren Schichten der Gitarrenaufnahme in den äusseren Lautsprechern. Die Raumbewegung entsteht durch eine Überlagerung zweier Lemniskaten – „Achterschleifen”, ein uraltes Ewigkeits- und Todessymbol. In der Überlagerung bilden sie rastlose, verschlungene Bahnen (siehe Cover).

2. Teil: Verwandlung 4 min
Im zweiten Teil ist die Zuordnung vertauscht. Im Zentrum steht anfangs die Gitarre, an der Peripherie die Stimme. Allerdings in verwandelter Form: Die Stimme wird zu aggressiven, metallischen Ausklängen (teils nah, teils fern), in denen der Ursprung nur mehr andeutungsweise erkennbar ist; die Gitarre wird zu einer Art Trommel, die gegen Ende das Zentrum beharrlich umkreist.
Einziges Fremdelement: Der Ruf eines Lumpensammlers in den Strassen
(historische Aufnahme).

3. Teil: Wanderung 7 min
Der Klang der Stimme zerfällt in viele Schichten, die zusammen einen undurchdringlichen abstrakten Dschungel bilden, in dem es unaufhörlich schnarrt und quakt und zirpt und stöhnt. Durchzogen wird dieser Dschungel durch Bahnen, auf denen die Akkorde der Gitarre merkbar schnell vorbeiziehen. Im Zentrum folgt eine bizarre Hirtenmelodie unbeirrt den Mikrostrukturen des Gitarrenklanges in einer längst vergessenen antiken Skala.

4. Teil: Rückkehr 9 min
Eine Art Glockenschlag, gefolgt von einem tiefen Ostinato, kündigt den vierten Teil an. Eine langsam umherziehende Prozession skandiert den Originaltext rückwärts, wobei die immer wiederkehrende rhetorische Anrede „
Wissen Sie” rückwärts abgespielt erstaunlicherweise eindeutig als „Wissen Sie” zu vernehmen ist. Mit dieser einleitenden Anrede endet der vierte Teil und damit schliesst sich der Kreis.